21.10.2002

Passivhaus ohne Angstheizung?

 

Bei Abschluss unseres Werksvertrages haben wir aus Kostengründen entschieden, die geplante Pelletheizung und den Edelstahlkamin vorerst nicht einzubauen (Einsparung vorerst €9.900,-). Mit dieser Entscheidung verfügt unser Passivhaus nicht mehr über eine Heizungsanlage. Nach wie vor vorhanden ist ein Solarkollektor mit 8.8 m² Fläche und ein Elektroheizstab im Kombispeicher, welcher eigentlich nur im absoluten Notfall eingeschaltet werden sollte.

 

Im Zuge dieser "Entscheidung" möchten wir auf die Gefahr hinweisen, dass unser Haus ein Schein-Passivhaus werden könnte, sollte die notwendige Heizenergie direkt aus der Steckdose bezogen werden.

 

Ein sehr guter Textbeitrag zu diesem Thema stammt von M. Ufheil, solares bauen GmbH, Langemarkstraße 112, 79100 Freiburg (Textbeitrag zum 1. Freiburger Praxis-Symposium am 7. April 2000), den wir nachfolgend, gekürzt wieder geben möchten.

 

Vom Passivhaus zum Nullemissionshaus

  [..] Der ursprüngliche Ansatz des Passivhauses ist heute leider etwas in Vergessenheit geraten. So wird oftmals vernachlässigt, dass im Haushalt elektrische Energie sowie Warmwasser benötigt werden. Teilweise wird sogar diskutiert das „bisschen Energie für Heizung und Warmwasser" direkt elektrisch nach zu erwärmen. Vor diesem leichtfertigen Ansatz sei an dieser Stelle gewarnt. Das Ergebnis wäre, dass mit einem erheblichen baulichen Aufwand letztlich nur geringfügig mehr erreicht wird, als das was heute ohnehin schon Standard ist. Wenn dann der Nutzer die Fenster während der Heizperiode öffnet oder kleinere Mängel wie Undichtheiten an der Gebäudehülle auftreten wird der heutige Standard sogar noch übertroffen.

 

 

CO2-Emissionen im Vergleich: Im Vergleich zum typischen Neubauvorhaben (4 Personen, 130 m² ) emittiert ein Passivhaus, welches lediglich einen Heizenergiebedarf von 15 kWh/m²a aufweist, ansonsten aber dem konventionellen Standard entspricht, etwa 4.300 kg/a CO2. Dies entspricht einer Einsparung von 39%. Würde dieses Passivhaus direkt elektrisch beheizt, so betragen die Einsparungen nur noch 9% gegenüber dem heute üblichen Baustandard.

 

Planerisches Ziel sollte es daher sein, den ursprünglichen Ansatz des Passivhauses Kranichstein zu erreichen. Dies erfordert eine gleichwertige Betrachtung von Heizenergiebedarf, Warmwasser und Haushaltsstrom. Der Schritt zum Nullemissionshaus ist dann nicht mehr weit. So würde z.B. eine ca. 2 kW Photovoltaikanlage genügen um ein Haus nach dem Passivhauskonzept von 1994 zu 100% solar zu versorgen. Spätestens mit der Neuregelung der Einspeisevergütung sowie der Unterstützung durch das 100.000 Dächer-Programm ist dies auch eine wirtschaftlich attraktive Maßnahme.

 

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Warmwasserbereitung 

 

Der Energiebedarf für die Warmwasserbereitung beträgt etwa 25 kWh/m²a. Mit Hilfe einer kleinen Solaranlage können etwa 60% des Energiebedarfs solar gedeckt werden. Um den elektrischen Energiebedarf zu reduzieren ist es sehr empfehlenswert Wasch- und Spülmaschine an Warmwasser anzuschließen. Weiterhin sind Zirkulationssysteme wenn irgend möglich zu vermeiden. Wärmeverteilung: Heizkörper oder Luftheizung Passivhäuser können über das vorhandene Lüftungssystem beheizt werden, Heizflächen werden (im Prinzip) nicht mehr benötigt. Beide hier vorgestellten Projekte haben allerdings immer noch Heizflächen aus folgenden Gründen: - Bei Beheizung über die Lüftung ist keine individuelle Raumtemperaturregelung mehr möglich bzw. sehr aufwendig. Dies kann beim Verkauf von Reihenhauseinheiten (heute noch) ein Problem sein. Weiterhin entspricht dies nicht den Vorgaben der Heizungsanlagenverordnung. Was allerdings nicht weiter problematisch ist, da die Heizungsanlagenverordnung ohnehin nur für Wärmeerzeugungsanlagen von > 4 kW gilt. - Die Wärmeverteilung ist direkt an die Luftverteilung gekoppelt. Damit ist es nur mit Einschränkungen möglich ein Schlafzimmer zu belüften und gleichzeitig angenehm kühl zu halten. Schlafräume werden daher tendenziell zu warm. - Große Räume haben oft einen geringen Lüftungsbedarf aber einen hohen Wärmebedarf. Derartige Räume werden daher tendenziell zu kalt. - Das Bad kann nicht auf 24°C beheizt werden, so wie es die DIN 4701 eigentlich vorschreibt.   

 

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Die Wärmeversorgung Passivhäuser und Niedrigstenergiehäuser bieten neue Perspektiven in der Wärmeversorgung. Die Wärmeerzeuger schrumpfen auf ein Minimum, der Gasanschluss oder der Einbau einer Ölheizung stehen nur noch in Ausnahmefällen zur Diskussion. Bei Einfamilien- und Doppelhäusern geht der Trend in Richtung Holzpelletfeuerungen und Wärmepumpensysteme. Beide Systeme haben den Vorteil, dass keinerlei externe Infrastruktur (Gasanschluss oder Öltank) mehr benötigt wird. Ebenfalls entfällt der Heizraum im ursprünglichen Sinn. Die Heizung kann und sollte mitten im Wohnraum aufgestellt werden. Zur Wärmeversorgung eines Passivhauses mit Solaranlage werden nur noch etwa 600 kg Holzpellets mit einem Volumen von ca. 1m³ benötigt. Diese geringe Menge kann bereits von Hand eingebracht werden. Der Vorratsbehälter der kleinen Wohnraumsysteme muss hierbei etwa 25 mal pro Jahr befüllt werden. Im Gegensatz zum Öl kann der Pelletspeicher im Wohnraum untergebracht werden. Denn Pellets stinken nicht und haben auch sonst keine gesundheitsschädlichen Emissionen! Mehrfamilienhäuser und Reihenhaussiedlungen erhalten Heizzentralen mit Wärmeerzeugern, die ursprünglich für kleine Einfamilienhäuser gedacht waren. Aufgrund der deutlichen Absenkung des Energiebedarfs für Warmwasserbereitung und Heizung dominieren in diesen Gebäuden oftmals die Wärmeverteilverluste. So fallen z.B. beim zuvor beschriebenen Passivhaus Vauban (trotz deutlich besser gedämmter Wärmeverteilsysteme) insgesamt 19 kWh/m²a Wärmeverteilverluste an. Dies entspricht 65% des Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser.   

 

Kosten-Nutzen-Analyse  

 

Das Bauvorhaben Passivhaus Vauban stand unter dem Anspruch eine CO2-Einsparung von 80% bei minimalen Mehrkosten zu erzielen. Baulicher Wärmeschutz, Energieversorgung und Lüftungssysteme wurden daher hinsichtlich der erforderlichen Investitionsmehrkosten sowie der erzielbaren Energiebzw. Emissionseinsparung detailliert bilanziert. Dabei diente das sogenannte Preis-Leistungs- Verhältnis (PLVCO2) als Auswahlkriterium für eine pauschale Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Der Kennwert PLVCO2 ist wie folgt definiert:

    

 

Kleine Kennwerte ergeben folglich eine hohe Wirtschaftlichkeit. Zur Ermittlung des Kennwertes wurde die zu erwartende Emissionseinsparung gegenüber einem konventionellen Neubauvorhaben nach Wärmeschutzverordnung ’95 und einer Wärmeversorgung mittels Gasbrennwertkessel bilanziert. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung sind nachfolgend dargestellt.

 

 

Die Auswertung der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen verdeutlicht, dass gerade die oft vernachlässigten Maßnahmen wie BHKW, verbesserte Dämmung von Wärmeverteilsystemen (doppelte Dicke nach Heizungsanlagenverordnung) sowie die Stromsparmaßnahmen in den Haushalten deutlich attraktiver sind als der Einsatz von 3-fach-Verglasungen oder wärmegedämmten Fensterrahmen. Vor diesem Hintergrund möchten wir die magische Grenze der 15 kWh/m²a (Heizenergiebedarf) einmal in Frage stellen und dringend empfehlen vor lauter Detailbeflissenheit nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, welches da heißt minimale Emissionen in allen Bereichen des Wohnens bei Heizung, Warmwasser und elektrischer Energie.

 

 

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